Immer mehr deutsche Verbraucher beziehen Waren aus einem Kauf im Internet. Der stationäre Einzelhandel sieht dieser Entwicklung mit großem Bedenken entgegen, und versucht mit ausgefallenen Ideen Käufer wieder auf die Einkaufsstraßen zu lotsen. Um im Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, orientieren sich die Einzelhändler an den Preisen, die Verbraucher im Internet bezahlen müssen.
Insbesondere die großen Elektrofachmärkte mussten in der Vergangenheit mit Absatzrückgängen wirtschaften, da die Konkurrenz zum virtuellen Angebot zu groß geworden ist. Potentielle Käufer neigen heutzutage dazu, die Preise der stationären Händler mit denen des Internets zu vergleichen. Farblich inszenierte Preisangebote, die bei einem Spaziergang durch die Innenstadt den Bummel erst interessant gemacht haben, suggerieren heute schon längst nicht mehr, dass der Verbraucher das günstigste Geschäft abschließt.
Die Position der Einzelhändler ist aufgrund der digitalen Konkurrenz auch im Hinblick auf Verhandlungsgespräche deutlich geschwächt. Wer einen Elektrofachmarkt aufsucht und das Personal mit dem günstigeren Preis für einen Artikel aus dem Internet konfrontiert, erhält in der Regel einen entsprechenden Preisnachlass, obwohl dasselbe Produkt regulär zu einem höheren Kaufpreis gehandelt wird. Der Einzelhandel ist mittlerweile erpressbar geworden, zu groß ist die Sorge vor weiteren Wachstumseinbußen. Doch nicht nur technische Geräte, sondern vor allem auch Bekleidungsartikel unterliegen einem heftig geführten Preiskampf. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Preise auch in diesem Bereich kontinuierlich abgesenkt werden.
Des Weiteren versuchen die stationären Händler die Kunden mit Aktionen wie „Alt gegen Neu“ anzuwerben. Verbrauchen können sowohl in Elektromärkten als auch in Bekleidungsgeschäften alte Produkte abgeben, um einen Warengutschein zu erhalten, den sie bei ihrem nächsten Einkauf verrechnen lassen können. Der Gedanke der Nachhaltigkeit kommt bei Käufern gut an. Allerdings laufen die Anbieter bei dem ständigen Preiskampf Gefahr, ihre Wirtschaftlichkeit zu riskieren. Eine deutschlandweit bekannte Baumarktkette fiel seiner Preispolitik selbst zum Opfer, musste in letzter Instanz sogar Insolvenz anmelden. Das Unternehmen hatte versucht, Kunden mit der Aktion „20% auf Alles – Außer Tiernahrung“ in die Märkte vor Ort zu locken. Zwar konnte dieses Ziel während der Rabattaktionen auch erreicht werden, anschließend blieben die Käufer jedoch aus. Der Grund lag unter anderem darin, dass das Unternehmen den Nachlass derart oft angeboten hatte, dass für Verbraucher schlichtweg keine Notwendigkeit bestand, die Märkte außerhalb der Preisreduzierungen aufzusuchen. Darüber hinaus musste das Unternehmen zuletzt einen schweren Imageverlust hinnehmen. Aufgrund der regelmäßigen Sonderangebote hatte sich die Baumarktkette den Ruf eines Billigheimers „erarbeitet“. Der tiefe Fall zeigt, dass Verbraucher zwar den Preisvergleich nutzen, um das günstigste Angebot zu finden. Dennoch sind sie nicht bereit, in gewissen Produktbereichen qualitative Einbußen hinzunehmen.
Dass regelmäßige Rabattaktionen dennoch funktionieren können, zeigt das Beispiel einer bekannten Drogeriekette. Bei der Gestaltung der regulären Preise orientiert sich das Unternehmen generell an der Konkurrenz, versucht aber dennoch die Kaufbereitschaft der Kunden mit regelmäßigen Sonderangeboten zu steigern. Das Prinzip hat mittlerweile seit vielen Jahren großen Erfolg, wobei davon auszugehen ist, dass der Unternehmer seine Produkte günstiger beziehen kann als die direkte Konkurrenz.
Ein weiterer Vorteil der stationären Einzelhändler ist die Tatsache, dass der Kunde das gekaufte Produkt direkt in den Händen halten kann. Dem versuchen nunmehr die Online-Händler entgegenzuwirken, indem sie die Warenlieferung am Tag der Bestellung anvisieren. Derzeit bieten erst 3% aller virtuellen Verkäufer die sogenannte Expresslieferung zum Kunden an. Dieses Angebot wird sich in Zukunft jedoch deutlich nach oben entwickeln, zumal bereits mehr als ein Drittel aller Anbieter den Expressversand ernsthaft in Erwägung ziehen. Durch den „Same Day Delivery“ würde eine auffällige Lücke zwischen den stationären und den digitalen Händlern geschlossen werden. Allerdings zeigen repräsentative Umfragen, dass der Sofortversand für den Kunden gar kein ausschlaggebender Grund für den Kauf im Internet ist, zumal er mit hohen Versandgebühren rechnen muss, wenn er diesen Sonderdienst beanspruchen möchte. Vielmehr genießt der Verbraucher bei seiner virtuellen Shoppingtour die Vorzüge der Bequemlichkeit sowie einer gewissen Art der Verlässlichkeit. Außerdem dürfte es auch in Zukunft fraglich bleiben, wie Anbieter Menschen in ländlichen Regionen am Tag ihrer Bestellung beliefern lassen möchten. Dieses Projekt könnte nach Einschätzung der Experten selbst für Marktriesen eine zu große logistische Herausforderung darstellen. Die Kapazitäten sind schlichtweg begrenzt.
Der stationäre Einzelhandel genießt gegenüber den virtuellen Offerten dennoch einige Vorzüge, die Kunden keineswegs vermissen möchten. Der präsente Ansprechpartner vor Ort kann ein Pluspunkt sein, wenn der mögliche Abnehmer seinen Anspruch auf Service geltend macht. Eine individuelle Beratung im Ladenlokal oder ein Produkt mit den menschlichen Sinnen wahrnehmen, bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird, sind Attribute, die der Internetanbieter nicht erfüllen kann. Darin sollten Einzelhändler ihre große Chance gegenüber der Konkurrenz aus Bits und Bytes entdecken.
Dennoch wird es in Zukunft auch für den Einzelhändler darauf ankommen, seine Ideen neu zu entdecken. Viele Verbraucher lassen sich bei einem Einkauf von ihrer Leidenschaft tragen. Wer sein Sortiment im digitalen Raum präsentiert, exemplarisch durch eine eigene App für das Smartphone oder eine ansprechende Homepage, bereitet den potentiellen Konsumenten auf ein spürbares Erlebnis im eigenen Geschäft vor. Der Mensch ist ein Genusswesen, das inspiriert werden möchte. Hier liegen gerade die großen Stärken der präsenten Händler, da sie die Bedürfnisse des Verbrauchers ideal verarbeiten können.
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